Gudrun Mangold

REPORTAGEN ETC. VON GUDRUN MANGOLD

› Bio-Büffelwahnsinn

Wasserbüffel auf der Schwäbischen Alb. Seit 2005 steht eine Herde dieser mächtigen Tiere auf der Hochfläche des Mittelgebirges - einer der wasserärmsten Gegenden Deutschlands. Geld floss dafür vom Land Baden-Württemberg und auch vom Bund. Inzwischen bimmeln die Ladenklingeln der Gegend heftig: reißend verkaufen sich Fleisch, Wurst und Käse der bio-zertifizierten Büffel ...
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Dieser Artikel erschien am 28.11.2012 in "Kontext". Zunächst gab sich die Redaktion als "Fanclub" - inzwischen hat man das lommelige Fähnlein aber anders ausgerichtet. Offenbar passen Gutbüffel einfach zum "ganzheitlichem Journalismus" (was soll das sein?), nicht jedoch sauber recherchierte, kritische Artikel von Gudrun Mangold. Das muss man als Ehre betrachten. –
"Bio-Quatsch mit Wasserbüffeln", ein Gespräch mit Gudrun Mangold (Rems-Murr Rundschau, 15. 2. 2014)

› Runter von der Couch

Die neue Freud-Analyse von Michel Onfray wurde in Frankreich blitzartig zum Bestseller – jetzt ist das Buch auf Deutsch erschienen.
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› Bevölkerung in Angst – Polizei in Aktion – Sexualstraftäter auf freiem Fuß

Ein Sexualstraftäter kommt frei. Jahrelang hat er hinter Gittern verbracht, für sein Verbrechen gebüßt. Heute öffnet sich für ihn die Gefängnistür – und morgen? Vergewaltigt er dann die nächste Frau? Missbraucht er dann wieder ein Kind? Muss seine Umgebung Angst vor dem Mann haben? Viel zu oft ist es so.
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› Die Nachtigall und andere Märchen beim Festival d'Aix-en-Provence

Gudrun Mangolds Reportage zu den Festivals in der Provence in der taz.
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› Rezension: Gerettet und verloren zugleich - eine Engländerin entdeckt ihre deutsch-jüdische Biographie

"Wer meint, er kennt schon alle Geschichten über das Dritte Reich, der hat diese noch nicht gelesen.", schrieb die Sunday Times vor zwei Jahren über die englische Originalausgabe des jetzt bei Piper auf deutsch erschienenen Buches "Rosas Tochter – Bericht über eine wiedergefundene Kindheit." In der Tat. Doch was die heute in England lebende Susi Bechhöfer, die "Rosas Tochter" ist, niedergeschrieben hat, ist weit mehr. Ein für Hitler-Deutschland – in aller Bitterkeit – durchaus typisch jüdisches Schicksal zwar und insofern eine weitere Geschichte über das Dritte Reich. Susi Bechhöfers Aufzeichnungen hämmern aber noch andere Schichten von Schicksalsfaktoren heraus als die bloß vordergründigen. Es war eben nicht allein der Nazi-Faschismus, der diese Biographie von der Geburtsstunde aufs satteste mit menschlicher Grausamkeit durchtränken konnte. Es waren die längst vor dem Dritten Reich vorhandenen, faschistischen Boden nährenden, ganz normalen gesellschaftlichen Strukturen – die ihre Aktualität mit keiner Kapitulation verloren haben.
Die Fakten bedürfen keines Kommentars: Susi kommt 1936 in München mit ihrer Zwillingsschwester Lotte zur Welt. Ihre ledige Mutter Rosa, Jüdin und bettelarm, weiß keinen anderen Ausweg, als die beiden Mädchen ins Waisenhaus zu geben. Rosa besucht ihre Töchter sooft wie möglich, muß sich dann aber endgültig von ihnen trennen. Im letzten Moment werden die Zwillinge als Dreijährige noch nach England evakuiert, wo sie von einem kinderlosen Ehepaar, einem Baptistenpriester und seiner Frau, aufgenommen werden. Standhaft verleugnen die Pflegeeltern, Edward und Irene Mann, Herkunft und Religion ihrer so plötzlich vorhandenen Kinder. Lotte wird schwer krank und bedarf der ständigen Betreuung durch die Stiefmutter. Susi hingegen wird der "Liebling" ihres Stiefvater. Das bedeutet, daß Edward Mann seine Pflegetochter ab deren zehntem Lebensjahr immer wieder vergewaltigt, bis in ihr Erwachsenenalter hinein, mit selbstverständlichem Besitzanspruch.
Susi Bechhöfer ergriff den Beruf einer Psychotherapeutin, in dem sie auch heute noch arbeitet. Doch erst fünfzig Jahre nachdem Susi in England einen neuen Namen, eine neue Religion und eine neue Identität erhalten hatte, und lange nachdem sie sich aus den Fängen ihres Stiefvaters endlich in eine eigene Familie hatte retten können, war sie in der Lage, sich durch die Abscheulichkeiten ihrer Kindheit hindurchzuarbeiten und sich auf die nicht weniger strapaziöse Suche nach ihren eigentlichen Wurzeln zu machen. Aus schwer zugänglichen Archiven und aus Erinnerungen von bis dahin nie gekannten Personen förderte sie die erschütternden Einzelheiten ans Tageslicht. Susi mußte dies ohne ihre Zwillingsschwester Lotte tun, denn die war als junge Frau an ihrer Erkrankung gestorben.
Das Entsetzliche in der Biographie der beiden wurde nicht einzig und allein durch den Holocaust bedingt, durch den sie ihre Mutter in Auschwitz verloren hatten, wie Susi Bechhöfers schmerzhafte Recherche ergibt. Es gab da ja auch einen Vater, Otto Hald, ein Soldat aus dem schwäbischen Göppingen. Otto Hald hatte Susis schwangere Mutter Rosa – wie andere Frauen auch – offenbar skrupellos im Stich gelassen. Und die Enttäuschung wird noch größer: nicht nur dieser "arische" Vater, sondern ebenfalls Rosa Bechhöfers eigene Verwandschaft hatte sich großenteils von der ledigen Mutter distanziert und damit nicht zu ihrer eventuellen Rettung beigetragen.
Zunächst kostete Rosa Bechhöfer dies alles die Möglichkeit einer abgesicherten Existenz, innerhalb derer sie ihre Kinder hätte großziehen können. Später kostete es sie nichts weniger als ihr Leben. Was letztlich schuld war, das läßt sich im einzelnen nicht mehr auseinander dividieren. Es klingt banal und deshalb muß man es der Normalität entreißen: wesentlich beteiligt am Schicksal von Rosa und ihren Kindern waren auch die, im Vergleich zum Holocaust viel subtileren, Repressions-Strukturen einer patriarchal-bürgerlichen Gesellschaft, ganz offenbar resistent gegenüber Regierungsformen und Religionen.
"Rosas Tochter" ist damit nicht nur ein Buch über das Dritte Reich, sondern auch ein Buch über die europäische Gesellschaft, auch von heute. Susi Bechhöfer hat es zusammen mit dem Journalisten Jeremy Josephs geschrieben, der sich ihrem sehr persönlichen, bisweilen tagebuchartigen und schlichten Stil anpaßte. Mit dem völligen Verzicht auf Anklage und Larmoyanz gerät diese Biographie einer wiedergefundenen Kindheit zu einer messerscharfen, über jeden Widerspruch erhabenen Gesellschaftskritik. Ein Buch, das – fernab von Politik und Ideologie – einfach nur in aller Klarheit berichtet, was war. Mehr braucht es auch nicht.

Jeremy Josephs/Susi Bechhöfer: Rosas Tochter. Bericht über eine wiedergefundene Kindheit. Piper Verlag München 1998, 191 S., DM 36
© Gudrun Mangold